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Taurin (Teil I) - Taurin als Mitochondrien-Booster

Letztes Jahr hat Taurin im Kontext der Anti-Aging-Forschung eine große mediale Aufmerksamkeit genossen – auch wir haben darüber berichtet: https://neurolab.eu/taurin-im-fokus-der-anti-aging-forschung/

Durch die mediale Präsenz fiel uns auf, dass Taurin zwar allgegenwärtig als „Mitochondrien-Booster“ bezeichnet wird – aber der allergrößte Teil der Artikel nicht darauf eingeht, warum Taurin für Mitochondrien so elementar ist.

Im heutigen Beitrag wollen wir daher detailliert eluzidieren, welche biochemische Relevanz Taurin tatsächlich für die allgemeine zelluläre Funktion sowie die mitochondriale Aktivität hat.

Mitochondriopathien zeichnen sich aus durch erhöhten oxidativen Stress, einer verminderten ATP-Produktion, einer gestörten Calcium-Homöostase, geringerer Mitochondriendichte/Mitogenese, sowie der Induktion zellulärer Apoptose. Taurin ist von zentraler Bedeutung für die Aktivität der Mitochondrien und ein Taurin Mangel ist mit mitochondrialer Dysfunktion assoziiert. Aber welche Funktionen erfüllt Taurin innerhalb der Mitochondrien? Die primären Funktionen von Taurin in den Mitochondrien sind eine pH-Pufferung innerhalb der mitochondrialen Matrix sowie verschiedene antioxidative Effekte.

Taurin puffert den pH-Wert in den Mitochondrien

Eine ausreichende Pufferkapazität der mitochondrialen Matrix erhält das mitochondriale Membranpotential und ist für die Aktivität der Mitochondrien unabdingbar. Etwa zwei Drittel der Pufferkapazität in den Mitochondrien ist auf niedermolekulare Substanzen zurückzuführen (Carnosin, Anserin, Taurin, Glycin, Hydrogenphosphate …). Taurin liegt in hoher Konzentration in der mitochondrialen Matrix vor und optimiert dort das pH-Milieu für die Aktivität von Acyl-CoA-Dehydrogenasen. Diese Enzymklasse ist essentiell für die β-Oxidation von Fettsäuren.
Taurin schafft also in Mitochondrien das ideale Milieu für die enzymatischen Reaktionen der β‑Oxidation (Fettverbrennung), die zudem auch auf Genexpressionsebene von Taurin unterstützt werden (AMPK, PGC1α, FOXO1, SIRT1, PPARα, ChREBP, MTP, CPT-1a …). Dies deckt sich auch mit der Beobachtung, dass Taurin in oxidativem Gewebe in höheren Konzentrationen vorkommt, als in glykolytischem Gewebe (Hansen et al., 2010; Bonfleur et al., 2015; Karikkakkavil et al., 2024; Sun et al., 2023).

Taurin vermittelt antioxidative Effekte in Mitochondrien

Entgegen der allgemeinen Annahme fungiert Taurin nicht als klassischer Radikalfänger in den Mitochondrien, sondern vermittelt seine antioxidativen Effekte über andere verschiedene Mechanismen (Jong et al., 2021; Baliou et al., 2021; Surai et al., 2021):

  • Taurin senkt die Hyperoxid-Konzentration durch Puffern von hypochloriger Säure, welche in den Mitochondrien aus Wasserstoffperoxid und Chlorid entsteht. Dabei entsteht das harmlosere N-Chlorotaurin, welches zudem als Nrf2-Aktivator antientzündliche und weitere antioxidative Effekte vermittelt.
  • Taurin erhöht die mitochondriale Glutathion-Konzentration (GSH) u.a. dadurch, dass weniger GSH für die Neutralisation von Wasserstoffperoxid verbraucht wird. Das zusätzliche Glutathion steht dann zur Neutralisation anderer reaktiver Sauerstoffspezies und Radikale zur Verfügung.
  • Taurin erhöht die Konzentration der antioxidativen Superoxiddismutasen und hat einen stabilisierenden Einfluss auf die Aktivitäten weiterer antioxidativer Enzyme wie Katalasen, Glutathionperoxidasen und Glutathionreduktasen.
  • Taurin stabilisiert Zell- und Mitochondrienmembranen: Taurin interagiert auf vielen Ebenen mit der Integrität der mitochondrialen Membranen. Zum einen bietet Taurin über die bereits beschriebenen Effekte einen gewissen Schutz vor Oxidation der Phospholipide (v.a. Cardiolipin) und der Proteine der Mitochondrienmembran. Darüber hinaus interagiert Taurin aber auch direkt mit den Phospholipiden und hat daher auch direkten Einfluss auf die Membranfluidität.
  • Taurin konjugiert zwei mitochondriale tRNAs und ist damit essentiell für eine korrekte ribosomale Proteinbildung in den Mitochondrien. Ohne Taurin verläuft die Proteintranslation in den Mitochondrien fehlerhaft. Dies resultiert in nicht funktionellen oder weniger effizienten Proteinen. In Versuchen konnte unter Taurin-Mangel bspw. eine Instabilität von Komplex I innerhalb der Atmungskette festgestellt werden, was in einer fehlerhaften Elektronenübertragung und damit der Generierung von mehr Sauerstoffradikalen resultierte.

Taurin erweist sich als Schlüsselsubstanz für die mitochondriale Gesundheit. Durch seine vielfältigen Funktionen – von pH-Regulation über antioxidative Effekte bis hin zur Membranstabilisierung – trägt es fundamental zur optimalen Mitochondrienfunktion bei. Seine Rolle in der Energieproduktion und der mitochondrialen Proteinsynthese verdeutlicht die zentrale Bedeutung von Taurin für die zelluläre Vitalität. Diese umfassenden Effekte machen Taurin zu einem hochinteressanten Ansatzpunkt für die Verbesserung der mitochondrialen Funktion und die Therapie mitochondrialer Störungen.

Quellen: 

Jong CJ, Sandal P, Schaffer SW. The Role of Taurine in Mitochondria Health: More Than Just an Antioxidant. Molecules. 2021 Aug 13;26(16):4913. doi: 10.3390/molecules26164913. PMID: 34443494; PMCID: PMC8400259.

Baliou S, Adamaki M, Ioannou P, Pappa A, Panayiotidis MI, Spandidos DA, Christodoulou I, Kyriakopoulos AM, Zoumpourlis V. Protective role of taurine against oxidative stress (Review). Mol Med Rep. 2021 Aug;24(2):605. doi: 10.3892/mmr.2021.12242. Epub 2021 Jun 29. PMID: 34184084; PMCID: PMC8240184.

Surai PF, Earle-Payne K, Kidd MT. Taurine as a Natural Antioxidant: From Direct Antioxidant Effects to Protective Action in Various Toxicological Models. Antioxidants (Basel). 2021 Nov 24;10(12):1876. doi: 10.3390/antiox10121876. PMID: 34942978; PMCID: PMC8698923.

Hansen SH, Andersen ML, Cornett C, Gradinaru R, Grunnet N. A role for taurine in mitochondrial function. J Biomed Sci. 2010 Aug 24;17 Suppl 1(Suppl 1):S23. doi: 10.1186/1423-0127-17-S1-S23. PMID: 20804598; PMCID: PMC2994382.

Bonfleur ML, Borck PC, Ribeiro RA, Caetano LC, Soares GM, Carneiro EM, Balbo SL. Improvement in the expression of hepatic genes involved in fatty acid metabolism in obese rats supplemented with taurine. Life Sci. 2015 Aug 15;135:15-21. doi: 10.1016/j.lfs.2015.05.019. Epub 2015 Jun 17. PMID: 26092479.

Karikkakkavil Prakashan AD, Muthukumar SP, Martin A. Taurine Activates SIRT1/AMPK/FOXO1 Signaling Pathways to Favorably Regulate Lipid Metabolism in C57BL6 Obese Mice. Mol Nutr Food Res. 2024 Apr;68(8):e2200660. doi: 10.1002/mnfr.202200660. Epub 2024 Mar 29. PMID: 38549461.

Sun B, Maruta H, Ma Y, Yamashita H. Taurine Stimulates AMP-Activated Protein Kinase and Modulates the Skeletal Muscle Functions in Rats via the Induction of Intracellular Calcium Influx. Int J Mol Sci. 2023 Feb 18;24(4):4125. doi: 10.3390/ijms24044125. PMID: 36835534; PMCID: PMC9962205.